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19. Tag   SAN FRANCISCO

Der Palast
Es ist angenehm mild an diesem sonnigen Morgen, im Laufe des Tages soll die Temperatur noch auf 22 Grad C steigen. Ich packe die Kamera in die Tasche und laufe zum Palace Hotel. Das Palace Hotel ist das älteste und das schönste Hotel in San Francisco. Es war damals das größte Hotel der Welt, als es 1875 eröffnet wurde. Das Palace Hotel überstand das Erdbeben von 1906, brannte aber kurze Zeit später völlig aus. 1909 wurde an der gleichen Stelle das neue Palace Hotel errichtet. Als ich den Garden Court betrete, verstehe ich welchen luxuriösen Glanz das Hotel damals ausübte. Ein Eye Catcher sind die italienischen Marmorsäulen und die Buntglaskuppel mit ihren Kristallkronleuchtern. Ich bleibe zum Frühstück. Es gibt Rührei, Lachs, Früchte, Croissant und Kaffee. Nun ja, ich werde satt, aber Genuss ist etwas anderes.

Ich komme am Ruth Asawa’s San Francisco Fountain (1972) vorbei. Die Touristen huschen meist an diesem Brunnen vorbei und schenken ihm keinen Blick. Wahrscheinlich weil direkt daneben der Apple Store zu findet ist. Vielleicht sollte man sich die Details näher ansehen. Die zylinderförmige Bronzeskulptur, die als Außenwand des Brunnenbeckens dient, zeigt Basrelief-Szenen von San Francisco. Der Brunnen stammt von amerikanischen Bildhauerin Ruth Asawa, bekannt auch als „Fountain Lady”.

Der Vorhang
Als das Hallidie Building 1918 errichtet wurde, war es ein markanter Kontrast zu den gemauerten Gebäuden in San Francisco und in den meisten anderen Städten in Amerika. Entworfen vom dem Architekten Willis Polk, war es das erste Gebäude mit einer Glasfassade in den Vereinigten Staaten. Die transparente Glasfassade besteht aus Glasscheiben, die in einem Gitter aus Stahlträger mit vergoldeten Ornamenten im Ober- und Untergeschoss und kunstvoll geschmiedeten Feuerleitern angeordnet sind. Das Hallidie Building hatte trotz seines damals innovativen Design keinen starken Einfluss auf die Architektur in USA. Erst Jahrzehnte später kamen die verglasten Bürotürme in Mode.

Als ich 2012 das Hallidie Building zuletzt gesehen habe, befand es sich in einem miserablen Zustand. Ein Jahr später wurde die Fassade aufwendig renoviert. Die Glasscheiben wurden ausgetauscht, alle Blech-und Geländerteile wurden repariert oder ersetzt, hundertjährigen Jubiläum wieder in seinem ursprünglichen Glanz. Den besten Blick auf das Hallidie Building hat man vom zweiten Zwischengeschoss in der Crocker Galleria. Fototipp: Die Wolkenkratzer durch das Glasdach der Crocker Galleria fotografieren.

Temple of Doom
In San Francisco gibt es immer etwas Neues zu entdecken. Heute steht das 450 Sutter auf dem Programm. Unter Einheimischen kursieren die Spitznamen The Temple of Doom, The House of Pain oder Four-Fifty Suffer. Das klingt makaber. Umso mehr ich mich mit 450 Sutter beschäftigte, umso faszinierender finde ich die Geschichte die dahintersteckt. Das 26-stöckige Gebäude im „Mayan Revival” Art Deco-Stil wurde von den Architekten James Ruppert Miller und Timothy L. Pflueger entworfen. Der Architekturstil „Mayan Revival” wurde vor allem in den 1920er und 1930er Jahren gebaut. Obwohl es Maya genannt wurde, greift es Motive von verschiedenen mesoamerikanischen Kulturen auf. Sehenswerte Bauten dieser Architektur sind unter anderem das Aztec Hotel (1924) in Monrovia oder das Mayan Theater (1927) in Los Angeles.

Die Idee zu 450 Sutter hatte der exzentrische Zahnarzt Francis Edward Morgan Jr., der ein Gebäude haben wollte, das ausschließlich für Zahnärzte bestimmt sein sollte. 450 Sutter wurde im Oktober 1929 eröffnet und war damals das größte medizinische Gebäude der Welt. Der Zusammenhang zwischen Maya und Zahnarzt erklärt sich dadurch, weil die Mayas die Kunst der Zahnheilkunde praktisch erfunden haben. Die Kulturen der alten Maya, Inka und Azteken waren besessen von der Mundhygiene und verwendeten damals schon Zahnbürste und Zahnpasta. Die prächtige Terrakotta-Fassade zeigt ein zentrales Thema der Maya-Kunst. Der heilige Weltenbaum, der als gigantischer, blühender Baum dargestellt wird.

Als ich die Lobby betrete, komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Wow, so etwas habe ich noch nicht gesehen. Die Wände bestehen aus rotem Levanto Marmor. Die bronzene Decke ist mit Totenköpfe, abgetrennte Köpfe und Hakenkreuze geschmückt. In der Maya-Kunst wurden oft Enthauptungen und rituelle Opfergaben dargestellt. Ein lichtstarkes Superweitwinkel mit einer Brennweite zwischen 10 mm und 16 mm eignet sich am besten um die Lobby zu fotografieren. Nirgendwo sonst in San Francisco findet man so eine kunstvoll verzierte Decke. Auch wenn man nur die Lobby betreten darf, das alleine ist den Besuch wert. Wer Zahnschmerzen hat, wird keine Probleme haben einen Arzt zu finden. Auch heute befinden sich größtenteils Ärzte in diesem Gebäude.

Mausloch
Ich suche die 140 Maiden Lane auf. Die malerische Seitenstraße hat Charme und erinnert mich mit ihren kleinen Geschäften und Cafés ein wenig an Amsterdam oder Paris. Man muss nicht zum New Yorker Guggenheim Museum reisen, um die berühmte Spiralrampe zu sehen. Das von Frank Lloyd Wright entworfene V. C. Morris Gift Shop Gebäude wurde 1948 errichtet und diente als Prototyp für das elf Jahre später errichtete Solomon R. Guggenheim Museum in New York. Der Bogeneingang des Backsteingebäudes spiegelt sich im Inneren mit der berühmten Treppe. Das Gebäude ist leicht zu übersehen. Die Fassade ist ein gesichtsloses Ziegelrechteck mit einem halbrunden Toreingang. Der Eingang sieht witzig aus, ob die Ähnlichkeit mit einem Mauseloch an der Hauswand beabsichtigt ist? In den Räumlichkeiten befindet sich ein italienisches Bekleidungsgeschäft. Ich frage freundlich nach, ob ich Bilder machen darf. Es wird mir gestattet im Erdgeschoss zu fotografieren, der Aufgang über die Spiralrampe in den ersten Stock ist tabu.

Chinatown
Chinatown habe ich eigentlich nicht auf dem Programm. Ich habe aber jetzt Lust auf Dim Sum und Ente. Ich checke online was der Guide Michelin dazu sagt. Der Guide empfiehlt die Lai Hong Lounge in der Powell Street. Ich laufe quer vom Union Square durch Chinatown. Chinatown ist auch nicht mehr das, was es vor 25 Jahren einmal war, die Grant Street ist heute genauso schlimm mit Souvenir-Shops verseucht wie Fisherman’s Wharf. Authentizität quasi null. Ich knipse ein paar Murals und durchquere Chinatown zügig. Es ist noch Vormittag, aber das Restaurant ist bereits voll. Ich muss erst ein paar Minuten warten, bis ein Tisch frei wird. Ich bestelle zwei Mal Dim Sum und eine halbe Ente. Nun ja, ich habe schon besser Dim Sum gegessen, aber die knusprige Ente ist gut. Nicht aufgebacken wie hierzulande üblich, sondern kommt frisch aus dem Ofen.

Der Turm
Vom Restaurant ist es eine Viertelstunde hinauf zum Coit Tower. Es steht eine Riesenschlange vor dem Aufzug. Nein, ich verschwende bestimmt keine Zeit in der Warteschlange. Ich fotografiere die Murals und mache mich schnell wieder von dannen. Der Blick vom Telegraph Hill hinab auf die Filbert Street bis zu Russian Hill ist fantastisch. Mit einem Teleobjektiv lässt sich eine komprimierte Bildwirkung erzielen. Der Abstieg auf der östlichen Seite hinunter zur Sansome St ist zwar steiler, aber durch die Gärten sehr viel schöner als über die Grant Street.

Nach diesem sechs Meilen langen Spaziergang durch San Francisco steige ich ins Auto um und fahre ans westliche Ende von San Francisco. Es ist eine Wohltat am Wochenende mit dem Auto durch San Francisco zufahren, kein Stop & Go-Verkehr und ich komme zügig ans andere Ende. Unterwegs besuche ich noch die Holy Virgin Cathedral. Die Kathedrale bekannt als Joy of All Who Sorrow, ist eine russisch-orthodoxe Kathedrale im Richmond District von San Francisco. Die Holy Virgin Cathedral ist die größte der sechs Kathedralen der Russisch-Orthodoxen Kirche außerhalb Russlands. Im Inneren befinden sich wunderschöne Mosaike, religiöse Gemälde und massive Kronleuchter.

The Fog
Am Spätnachmittag komme ich zu Sutro Baths. Wie beim Griffith Observatory in Los Angeles, braucht es acht Anläufe für den ersten Besuch. Sutro Baths wurde 1896 erbaut und befindet sich in der Nähe des Cliff House, Seal Rocks und Sutro Heights Park. Nach dem Brand 1966 sind heute nur noch die Ruinen der Bäder erhalten. Die Brandung klingt wie Musik in meinen Ohren, einfach traumhaft hier. Die Bedingungen zum fotografieren sind hervorragend, Ebbe und Sonnenuntergang fallen zusammenfallen. Besonders bei Ebbe kommen die Seal Rocks bestens zur Geltung. Ich mache eine Reihe von Langzeitbelichtungen. Herrlich anzusehen ist die untergehende Sonne über die Seal Rocks. Urplötzlich erscheint eine Nebelwand am Horizont, die sich mit rasender Geschwindigkeit an den Strand zubewegt. Ich packe schleunigst mein Zeugs zusammen und komme über einen schmalen Pfad wieder zum Parkplatz. In wenigen Minuten hat der Nebel alles in ein diffuses Licht getaucht. Das erinnert mich an John Carpenters Horrorkultfilm „The Fog”.

Eigentlich wollte ich das Zwei-Sterne-Restaurant Lazy Bear besuchen. Ein Blick in den Speisesaal genügte, dass ich Abstand von einer Reservierung nahm. An einem einzigen Tisch, Stuhl an Stuhl, ist man quasi zu Smalltalk gezwungen. Sorry Lazy Bear, ich habe keine Lust auf erzwungene Geselligkeit mit fremden Gästen und da kann eure Küche noch so gut sein.

¡Hola
Es muss nicht jeden Tag die Gourmet-Küche sein. Die Wahl fällt auf das Bellota im Viertel SoMa. Das Restaurant liegt in einem denkmalgeschützten Gebäude des National Register of Historic Places, worin sich auch die Zentrale von Airbnb befindet. Von dem meisten der 120 Sitzplätze kann man einen Blick in die Küche mit einem speziellen Paella-Grill und einer holzbefeuerten Plancha werfen.


Zum Einstieg gibt es einen Gin Tonic. Das Getränk nennt sich Earth - Botanist • Hana • Barr Hill „Honey” Gin • Rutte „Celery” und schmeckt verdammt gut, alleine dafür hat sich der Weg ins Bellota gelohnt. Live-Musik wird auch gespielt. Ich bestelle zwei Vorspeisen, eine Hauptspeise und ein Dessert. Die beiden Vorspeisen sind sehr lecker. Das Lamm ist geschmacklich ganz gut, aber die gummiartige Textur verleidet mir den Genuss. Das Dessert versöhnt mich dann wieder. Cremig mit einem intensiven Aroma. Das Bellota bietet eine bodenständige spanische Küche ohne Firlefanz. Von der lauten Geräuschkulisse sollte man sich aber nicht stören lassen.

20. Tag   SAN FRANCISCO

The Summer of Love
Es ist ein traumhaft Sonntag. In Deutschland ist die Sommerzeit zu Ende, in Kalifornien dauert sie noch eine Woche. Der Morgennebel hat Alamo Square noch voll im Griff. An Fotos ist gar nicht zu denken. Ich fahre weiter zur B. Patisserie in der California Street und hole mir Croissants. Heute schnuppere ich Musikgeschichte. Das Stadtviertel Haight Ashbury in San Francisco war in den 1960er das Epizentrum der Flower Power, der Hippie-Bewegung und der Gegenkultur, bekannt als „The Summer of Love.” Haight Ashbury war auch der Wohnort von Musikern, unter anderem Janis Joplin, Graham Nash, Jimi Hendrix und Country Joe McDonald. Eine jener Musikgruppen, die in San Francisco lebte, war die Band Grateful Dead. Die Musiker wohnten in der 710 Ashbury Street von 1966 bis 1968. Das Haus aus dem Jahr 1890 ist heute als das Grateful Dead House bekannt. Nur paar Schritte entfernt, befindet sich das Haus der Hell's Angels. Die Truppe diente manchmal als Bodyguards bei Rockkonzerten. Das Pork Store Cafe gibt es immer noch, mein Lieblingsdiner in Haight.

Als die Hippies und Musiker aus Haight Ashbury wegzogen, kamen die wohlhabenden Yuppies und veränderten das Straßenbild. In den bunten viktorianischen Häusern finden sich heute Edel-Boutiquen, schicke Restaurants und hippe Cafés. Die Gentrifizierung ist glücklicherweise nicht so stark ausgeprägt, wie in anderen Vierteln. Am nordöstlichen Ende des Golden Gate Park, Adresse 2400 Fulton Street, befindet sich das Jefferson Airplane House. Die dreistöckige Villa diente damals als Aufnahme-Studio, Proberaum und Unterkunft für die Band. Meine Empfehlung: Die Parkplatzsuche in Haight Ashbury ist nervig. Entweder früh kommen oder den Bus nehmen.

San Francisco ist eine Schatzgrube für Architekturliebhaber. Besonders die bunten viktorianischen Wohnhäuser gefallen mir. Bei einem Dutzend verschiedener Architekturstile, angefangen mit Italianate bis hin zur Postmoderne, ist es nicht immer einfach die Unterschiede auf Anhieb zu erkennen. Das berühmteste Gebäude in San Francisco ist das im Queen Anne- und Stick-Stil erbaute Haas-Lilienthal Haus. Wer an solchen Häusern Gefallen findet, muss sich das Carson Mansion in Eureka ansehen. Dieses Mansion gilt als eine der schönsten viktorianischen Gebäude in den Vereinigten Staaten.

Golden Gate Park
Ich fahre weiter zum Golden Gate Park. Ich mache es mir auf einer Steintreppe bequem und esse die süßen Leckereien aus der B. Patisserie. Anschließend besuche ich das Museum California Academy of Sciences. Ganz nett, aber die $36 Eintrittsgebühr nicht wert. Da hat das de Young Museum weit aus mehr zu bieten. Das gilt insbesondere für die Ausstellungen „Art of Africa” und „Art of Oceania.” Wenn man an Mode denkt, ist der Hijab wahrscheinlich nicht das erste Kleidungsstück, das einem in den Sinn kommt. Die Special Exhibition „Contemporary Muslim Fashions” umfasst Mode von muslimischen Designern aus Australien, Japan, Malaysia, Türkei, Saudi-Arabien, Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Kuratoren haben Leihgaben aus aller Welt zusammengetragen, darunter Haute-Couture-Stücke, aber auch gewöhnliche Straßenkleidung. Wer die Ausstellung sehen möchte, muss nicht nach San Francisco reisen. Die Ausstellung ist ab April 2019 im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt zu sehen.

Versteckte Pfade
Ruheoasen, versteckte Wege und steile Treppen gibt es viele. Zum meinen Faves gehört die Macondray Lane, eine schmale Gasse gesäumt mit Bäumen und Pflanzen. Eine steile Holztreppe am Ende der Macondray Lane führt hinunter zur Taylor St, mit Blick auf die Bucht. Sehenswert finde ich auch die Golden Gate Heights Mosaic Stairway im Grand View Park. Steil geht es die 163 Stufen hinauf, oben angekommen wird man mit einer grandiosen Aussicht belohnt. Leider ist es neblig und ich erspare mir den Weg zum Aussichtspunkt. Der Andrang ist mir zu viel des Guten, ich knipse paar Bilder und mache mich schnell von dannen. Bei schönen Wetter lohnt sich der Weg zu den Golden Gate Heights aka Sunset Heights, bestehend aus drei markanten Gipfel: Grand View Hill, Larsen Peak und Forest Hill.

Wer nicht genug vom Treppensteigen bekommen kann, braucht nur bis zum westlichen Ende des Broadway fahren. Gute Kondition ist vonnöten, wenn man die 332 Stufen der Lyon Street Steps ersteigen möchte. Belohnt wird man mit einer tollen Aussicht auf Marina. Der Broadway zwischen Hausnummer 2600 und 3000 wird auch „Billionaires Row” oder „Gold Coast” genannt. Hier befinden sich Häuser von Gordon Getty, dem Sohn des Öl-Magnaten J. Paul Getty (2870-2880 Broadway), Oracle-Gründer Larry Ellison (2850 Broadway), Mimi Haas von der Familie Levi Strauss Haas (2800 Broadway) und einigen anderen wohlhabenden Personen. Die Rückfahrt ist im Gegensatz zur Hinfahrt kein Vergnügen. Alle wollen nach Hause und der Verkehr ist zähflüssig wie Honig.

Am Spätnachmittag fahre ich nochmals ins Castro. Ich besuche die Most Holy Redeemer Church, auch bekannt als die „schwulste Kirche westlich des Vatikans.” Es findet gerade eine Gesangprobe statt. Das Angebot mitzusingen, muss ich schmunzelnd ablehnen. Ich muss die Probe mit meiner Stimme nicht versauen. Stattdessen lasse ich mir im Daddy’s Barbershop wieder einen ordentlichen Haarschnitt verpassen. Ich habe heute meinen spendablen Tag, und gebe 30% Tip. Ich schlendere noch durch die Straßen und sehe mir noch das Alfred E. Clarke Mansion in der Douglass St, bevor ich wieder zurück ins Hotel fahre.

Mourad
In Food-Blogs habe ich nur Gutes über das Ein-Stern-Restaurant Mourad gelesen. Hier vermischt sich die California Cuisine mit marokkanischen Aromen. Der große Speiseraum mit seiner hohen Decke ist modern und elegant eingerichtet. Die stilvolle Atmosphäre gefällt mir. Die Weinkarte ist gefüllt mit Weinen aus aller Welt. Ich nehme einen 2012er Chasseur „Freestone” Pinot Noir aus dem Russian River Valley. Das Tasting Menu weckt kein Interesse, ich bestelle à la carte – zwei Vorspeisen, einen Hauptgang und ein Dessert. Die kalifornischen Oliven sind knackig mit einem feinwürzigen Aroma. Das Hähnchen will ich unbedingt probieren, leider gibt es das Gericht nur für zwei Personen. Auch wenn die Bedienung etwas verwundert schaut, ich bestelle das Gericht.

Ein ganzes Hähnchen kommt zerlegt in einer großen Schüssel, dazu gibt es noch als Beilagen Couscous, Bohnen, Kale und Kartoffeln. Das Hähnchen ist von der Zubereitung hervorragend, geschmacklich das beste Hähnchen, dass ich je gegessen habe. Ich muss kapitulieren, mein unrühmlicher Beitrag zur Verschwendung von Nahrungsmitteln. Ich bin von der Küche im Mourad begeistert, das ist Kulinarik auf hohem Niveau. Dieser Tag war anstrengend, müde laufe ich zurück ins Hotel. Ich freue mich jetzt auf die letzten drei Urlaubstage, der kulinarische Höhepunkt mit drei Drei-Sterne-Restaurants in Folge. Mal sehen, ob sich an der bisherigen Reihenfolge Manresa, The Restaurant at Meadowood, SingleThread noch etwas ändert.

21. Tag   SAN FRANCISCO

Wolkenkratzer
Ich fahre mit der Tram zum Embarcadero Center. Wolkenkratzer faszinieren mich und in San Francisco gibt es einige zu sehen. Meine Favoriten sind One Front Street aka Shaklee Terraces, 140 New Montgomery, 555 California, Phelan Building und Russ Building. 2018 sind zwei weitere Lieblingsgebäude hinzugekommen – Salesforce Tower und 181 Fremont. Der Salesforce Tower ist mit 326 Meter Höhe jetzt das höchste Gebäude in San Francisco und übertrifft den bisherigen Spitzenreiter Transamerica Pyramid deutlich. Nur schade, dass es keine Aussichtsplattform gibt, die Aussicht von der obersten Etage muss atemberaubend sein.

Auf der Harry Bridges Plaza vor dem Ferry Building steht ein zehn Meter hoher Eisbär, zusammengebaut aus 100 recycelten Motorhauben. Don Kennell gab ihm den Namen „Long View”, was sich auf das Verhalten von Eisbären in der Wildnis bezieht. Eisbären richten sich auf, um weit in die Ferne zu schauen. Für den Künstler dient diese Pose als Metapher gegen den Klimawandel.

Nach achtjähriger Bauzeit wurde das „Grand Central of the West” im August fertiggestellt. Das im futuristisch weiß gestylte Salesforce Transit Center ist das neueste Architektur-Highlight in der Stadt. Die hellen, lichtdurchfluteten vier Stockwerke dürften viele Fotomotive bieten. Der schönste Teil ist natürlich das Dach des Transit Center, ein öffentlicher Park mit toller Aussicht auf die umliegenden Bürogebäude. Trotzdem wirkt das Busterminal zwischen den Häuserschluchten wie ein eingezwängter Fremdkörper. In einer zweiten Bauphase soll ein zweistöckiger unterirdischer Bahnhof gebaut werden. Der Transit Salesforce Center war ab August für sechs Wochen geöffnet, dann entdeckte man zwei eingerissene Stahlträger. Seitdem ist der Center geschlossen und soll voraussichtlich Mitte 2019 wieder geöffnet werden.

Das Pier
Das Municipal Pier am Ende der Van Ness Avenue ist eine interessante Foto-Location. Weniger das Pier an sich, sondern die Fotomotive die sich daraus ergeben: Alacatraz, Coit Tower, Golden Gate Bridge, Ghirardelli Square, Transamerica Pyramid und die San Francisco Bay. Hier trifft man meistens Angler und gelegentlich auch Fotografen. Wie lange man das renovierungsbedürftige Pier noch betreten darf, ist unklar. Gerüchte sagen der Zutritt zum Pier soll geschlossen werden.

Das Pier 7 ist eine der Fotospots, dass ich immer wieder gerne besuche. Die Aussicht ist unbeschreiblich, wenn man hinausläuft und auf die Stadt zurückblickt. Ein exzellentes Beispiel für exakte Linienführung. Mittig positioniert ist das Bild auf Dreiecke aufgebaut: Die vielen parallelen Linien bilden perspektivische Dreiecke, die alle zur Transamerica Pyramid zusammenlaufen. Morgens, wenn die Stadt zum Leben erwacht, ist die beste Zeit zum fotografieren. Das Pier 14 und Pier 28 mit Blick auf die Bay Bridge gefällt mir auch.

Nach der Fotosession laufe ich zurück zum Hotel. Im Marlowe soll es einen der besten Cheeseburger in der Stadt geben. Die Einrichtung ist cool und gefällt mir gut. Da ich heute Abend noch ein großes Dinner vor mir habe, halte ich mich mit der Wahl zurück. Es gibt keine Vorspeise und kein Dessert, sondern nur den Marlowe Burger mit Fritten. Geschmacklich ist der Burger erste Sahne, das Patty ist perfekt medium gebraten und die Zutaten harmonieren prima zusammen. Damit ist das Ranking der besten Burger auch geklärt. Den ersten Platz teilen sich Father’s Office Burger und Marlowe Burger.

Am Nachmittag bin ich in South End unterwegs. Einige Internet-Unternehmen haben hier ihren Stammsitz, unter anderem Dropbox, Linkendin und Pinterest. In einem unscheinbaren Ziegelgebäude befindet sich Dropbox, ein Dienstleister für Cloud-Speicher. Nachdem ich Bilder von den Räumen gesehen habe, würde ich am liebsten die Kamera zücken. Leider darf man nur die Lobby betreten, alles andere ist tabu. Wie extravagant die Räumlichkeiten sind, kann man hier sehen >>> Artikel. Einige schöne Murals befinden sich ebenfalls in unmittelbarer Umgebung.

North Beach
Berkeley Hills steht heute auf der To-Do-Liste, aber mir ist die Lust auf Autofahren vergangen. Die Rush Hour über die Bay Bridge tue ich mir nicht an, aber ich habe genügend Alternativen. Ich fahre stattdessen ins Viertel North Beach. Ich stelle den Wagen in der North Beach Garage ab. Ich sehe mir zuerst die St. Francis of Assisi Church an. Innen wie außen ein gotisches Schmuckstück. Die Stille im Kircheninneren abseits des Trubels tut gut. Anschließend laufe ich wieder zurück zur Parkgarage. Von dort geht es einen Block entlang der Vallejo Street hinauf zum Ina Coolbrith Park. Zum Schluss noch gefühlte fünfhundert Treppenstufen und dann werde ich mit einem Wahnsinns-Panoramaausblick auf die Bay Bridge, Coit Tower und Financial District belohnt. Am schönsten finde ich den Moment der Abendröte am Horizont. Nirgendwo sonst in San Francisco kommt man den Wolkenkratzern so nah wie in diesem kleinen Park. In der Rooftop Bar „Spirits in the Sky” (Loews Regency) ist man zwar mitten drin, aber fotografieren mit einem Stativ ist verboten. North Beach ist wie Chinatown am schönsten am Abend, das gilt besonders für die bunt leuchtende Neonreklame.

Quince
San Francisco, ohne ein italienisches Restaurant zu besuchen? Das geht gar nicht! Zur Wahl standen die Acquerello und das Quince. Meinen ersten Besuch im Acquerello verbinde ich mit einer unangenehmen Erinnerung. Der Mietwagen wurde aufgebrochen, es folgte eine Schießerei und statt im Acquerello zu speisen, verbrachte ich den Abend zusammen mit der U.S. Park Police im Presidio. Aber durch diesen unvorhergesehenen Zwischenfall ließ ich mir die Urlaubslaune nicht vermiesen. Ich besuchte das Acquerello am darauffolgenden Tag.

Ich habe mich für das Quince entschieden. Nicht nur wegen der exquisiten Küche, sondern weil es auch die Premiere ist. Die seriösen Restaurantführer und Food-Blogs sind sich weitgehend einig, Quince ist der beste Italiener in USA. Ich bin gespannt, wie mein Urteil ausfallen wird. Kurz vor 21 Uhr stelle ich den Wagen vor dem Valet-Service ab. Das 75 Sitzplätze fassende Restaurant wurde 2014 komplett renoviert und wirkt im Trend zum Minimalismus herrlich anachronistisch. Hier gibt es noch festlich eindeckte Tische, Ledersessel, dicke Teppiche. In der Mitte des Raumes hängt ein venezianischer Kronleuchter und darunter ein riesiges Blumengesteck. Diese Eleganz würde ich eher in einem französischen Gourmet-Tempel verorten. Wenn Besitzer Michael Tusk und seine Frau Lindsay sagen, die Gäste wie zu Hause willkommen zu heißen, soll das keine Floskel sein. Ich bin gespannt und freue mich auf das Dinner. Michael Tusk kommt zur Begrüßung an meinem Tisch. Ein kurzer Smalltalk und dann begrüßt er schon die nächsten Gäste.

Wie in den meisten amerikanischen Sterne-Restaurants gibt es nur ein Menü zur Auswahl. Beim lesen des 10-Gänge-Menü läuft mir schon das Wasser im Munde zusammen. Ich bin nicht unbedingt ein Fan von übermäßigen Einsatz von dehydrierten oder fermentierten Produkten, wie sie oft in der nordischen Küche Anwendung findet. Da ich lieber die klassische Produktküche bevorzuge, kann hier fast gar nichts schief gehen. Ich nehme zwei kleine Änderungen am Menü vor, anstatt Sterling White Caviar aus Sacramento bevorzuge ich Golden Imperial Osetra Caviar und ich bestelle einen zusätzlichen elften Gang – Spaghetti mit weißen Trüffel aus Alba – macht zusammen $200 Aufpreis! Ein 2016er Pinot Noir „Pomarium” von Peay Vineyards begleitet mich durch das Menü.

Der Golden Osetra Kaviar ist der Gourmet-Himmel auf Erden, das Toast ebenso. Der Unterschied zwischen kalifornischen und russischen Kaviar ist eindeutig. Der Sterling Kaviar hat einen buttrigen, nussigen Geschmack, während der russische Osetra Kaviar eine intensivere Geschmacksnote aufweist. Allein beim riechen erkennt man Qualität, frischer Kaviar schmeckt nie fischig, sondern riecht nach Meer oder Salzwasser. Meine favorisierte Sorte ist aber der iranische Beluga.

Zum nächsten Gang werde ich in die Küche an einem kleinen gedeckten Tisch geführt. Direkt neben mir wird die frische Pasta hergestellt. Garganelli, eine italienische Nudelart aus Eierteig, ist ein Signature-Gericht im Quince. Auf einem mit einem Hummer bemalten Teller werden Garganelli serviert, dazu gibt es perfekt gegarte Hummerstücke (Maine Lobster) in einem aromatischen Krustentierschaum mit Schalotten und verschiedenen Kräuter. Sensationell, so muss Drei-Sterne-Pasta schmecken. Eine Schale mit zwei Riesenknollen weißen Trüffel aus Alba steht auf dem Tisch. Ich halte meine Nase darüber und rieche von diesem himmlischen Duft. Diese Kombination von Nudeln und Trüffel ist himmlisch. Ich würde auch eine 11/10 dafür vergeben. Ente hatte ich in den vergangenen Tagen bereits vier Mal im Menü. Die fünfte Zubereitung ist sehr gut, wenn auch nicht so hervorragend gelungen wie im Manresa und SingleThread.

Das Quince verwöhnt mit einer klassische Spitzenküche und kreative Kompositionen. Mir fällt dazu nur ein Wort ein – Weltklasse. Besonders die beiden Nudelgerichte und das Lamm fand ich sensationell gut. Noch eine Anmerkung zum Service. In vielen europäischen Sterne-Restaurants ist er mitunter distanziert und steif, hier ist der Service höflich, charmant und lässig, ohne es an Professionalität vermissen zu lassen. Menü, Getränke und Tip machen zusammen $700, dazu kommen noch $18 für das Valet Parking. Aufgewühlt von diesem grandiosen Dinner verlasse ich das Restaurant kurz vor Mitternacht. Buona notte Quince.